In der Generation ‚Selfie’ hat man vielleicht gerade einmal von analoger Fotografie gehört, aber sich vorzustellen, dass man bis zu einer Woche warten musste um seine Schnappschüsse begutachten zu können, scheint heutzutage unvorstellbar. Die digitale Fotografie hat die Analoge überrollt. Erbarmungslos und unausweichlich steht sie als Goliath einem analogen David gegenüber. Heute ist analoge Fotografie das Reich der alteingesessenen Fotoliebhaber, die noch aus dem Akt des Fotografierens eine Kunst machen und nicht aus dem Foto als Endergebnis.
Was sind die Unterschiede zwischen Analoger Fotografie und Digitaler Fotografie?
Wir wollen hier keine Abhandlungen der Vor- und Nachteile der einzelnen Richtungen auflisten. Diese findet man bereits zu einer Vielzahl im Internet (zB. unter de.wikibooks.org). Worum es wirklich geht, sind grundsätzliche Unterschiede in der Erfassung und Speicherung der Bilder. Bei digitalen Aufnahmen werden die Bilder auf einem elektronischen Medium (Speicherkarte, elektronischer Sensor) gespeichert und von dort auf Computer oder Festplatte übertragen. Die Bilder können relativ schnell digital nachbearbeitet, Farbe oder Schattierung geändert werden und wenn sie nicht gefallen, ist es ein Leichtes zu löschen und einfach noch einmal abzudrücken. Analoge Fotografie hingegen benötigt lichtempfindliches Filmmaterial, das es im Labor, sprich der Dunkelkammer, mit Hilfe verschiedener chemischer Flüssigkeiten zu entwickeln gilt. Jeder Film lässt nur 36 Fotos zu. Eine Zahl, die sich die jungen Smartphone-Fotoschießer gar nicht mehr vorstellen können und sollte ein Foto nicht gefallen, gibt es keine Möglichkeit es unmittelbar nach der Aufnahme zu prüfen. Man muss auf das Ergebnis der Entwicklung warten. Lässt man sich das auf der Zunge zergehen, wird klar warum Goliath felsenfest auf seinem Platz steht und auf den kleinen David herablächelt.
Warum fotografiert man überhaupt noch analog?
Für den Laien oder den digitalen Hobbyfotografen werden die hier angeführten Gründe wohl kaum einen Systemwechsel nach sich ziehen. Für den Interessierten aber zeigen sich die Hauptgründe, die für analoge Fotografie sprechen in der Mittelformat- und Großformatfotografie, im Schwarz-/Weiß Film und in Bereichen der künstlerischen Fotografie. Ein 4 x 5 oder 8 x 10 Dia auf einem Leuchtpult gesehen, hat eine Brillianz, Tonwertumfang und Schäfte, die jede weitere Diskussion nichtig macht. (Quelle: http://www.fotografen-welt.de/fototipps/vorteile-der-analog-fotografie)
Auch scheint die analoge Fotografie im Rahmen des Entschleunigungstrends eine Renaissance zu erfahren. Vom ‚Schneller und möglichst viel auf einmal’ wird hier bewusst Abstand genommen und sich vermehrt mit Tätigkeiten auseinandergesetzt, die Konzentration und Ruhe erfordern. Unterstützend kommt hinzu, dass über 80% der Haushalte in Deutschland und Österreich noch über Analogkameras verfügen. (Quelle: www.prophoto-online.de/fotopraxis/Analoge-Fotografie-der-besondere-Reiz-sorgt-für-einen-trend) Motivation sich dieser Form der Fotografie zuzuwenden ist – neben der Entschleunigung und dem Vorhandensein der Ressourcen – aber auch die Spannung und die Neugier, die Fotos nicht unmittelbar ansehen zu können, sondern sich in Geduld zu üben. Auch hat man die Möglichkeit selbst Hand an zu legen und im Labor zu entwickeln oder zu vergrößern, sprich man kann seine Kreativität unter Beweis stellen. Es ist also das Erlebnis der Fotografie – vom Abdrücken bis hin zum fertigen Papierbild, welches man in Händen hält – das ein Hinwenden zur analogen Fotografie begünstigt.
Und selbst wenn Goliath in puncto Praxistauglichkeit und schnellem Vorhanden-sein nicht das Wasser gereicht werden kann, so muss man David doch gewisse Qualitäten einräumen.
Bis zur Digitalisierung der Fotografie, die einher ging mit einer technischen Revolution, war die Fotografie analog. Für alle, die nur das digitale Zeitalter kennen, sei so viel dazu gesagt, dass darunter die Bildaufzeichnung auf Film verstanden wird. Dieser, ob nun für 24 oder 36 Aufnahmen, in Schwarzweiß oder Farbe (Negativ/Dia), wurde in die Kamera eingelegt. Nun konnte man auf Motivjagd gehen und wenn der der Film „voll“ war, dann wurde er manuell oder automatisch wieder in die Filmpatrone zurückgespult. Diese wurde aus der Kamera genommen und entweder selbst entwickelt oder im Fotohandel beziehungsweise im Drogeriemarkt für das Labor abgegeben. Die Zeit des Wartens begann – wer es schnell wollte, entschied sich für eine Stundenentwicklung oder man wartete drei Tage bis eine Woche, bis man seine Bilder in den Händen halten konnte. Die Spannung war entsprechend groß, denn die Frage lautete, wie die Bilder geworden sind. Ein großes Erlebnis war natürlich, dass zeitverzögert Erinnerungen an den Urlaub beispielsweise wieder wachgerufen wurden, wenn man endlich seine Bilder in den Händen hielt. In den 90-er Jahren fotografierte in Deutschland jeder im Durchschnitt mit drei Filmen im Jahr, also etwas mehr als 100 Aufnahmen.